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Und das soll man glauben?

Warum ich der Bibel trotzdem vertraue | Andreas Malessa

E-Book
2024 Gütersloher Verlagshaus
192 Seiten
ISBN: 978-3-641-31173-5

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Kurztext / Annotation
Bibel lesen - weil wir alle darin vorkommen
Die einen nehmen jedes ihrer Worte wörtlich, für andere bieten ihre Geschichten nur krudes Zeug aus alter Zeit - und beide Gruppen verstehen die Bibel falsch. Andreas Malessa zeigt hier, wie man das Buch der Bücher als aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhunderts wertschätzen kann, ohne seine Vernunft an der Garderobe abgeben zu müssen. Folgt man dem ebenso unterhaltsamen wie kundigen Essay des Autors, wird einem die Bibel schnell zu einem Leitfaden für moderne ethische Gewissensfragen. Gerade weil man sie »kritisch«, d.h. unterscheidend, lesen lernt. Sie ist ein Klassiker des Lebenswissens, der auch heute noch zu einer Welthaltung anleitet, die dem Glück im Dasein und in der Gemeinschaft dient. Malessas Sachbuch nimmt den Frommen die Angst vor den eigenen Zweifeln und öffnet Skeptikern einen neuen Blick auf einen Klassiker der Weltliteratur, ohne den es die Geschichte, die Kunst und die Kultur der westlichen Welt nie gegeben hätte.

Andreas Malessa, ist Hörfunkjournalist bei ARD-Sendern, ev. Theologe, Buchautor von Sachbüchern, Biografien und satirischen Kurzgeschichten. Seine TV-Talkformate, Dokumentarfilme, Hörbücher, Vorträge und die Musicals »Amazing Grace« und »Martin Luther King« aus seiner Feder stehen für Kompetenz und Humor, wenn es um die Interpretation biblischer Texte geht.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

KAPITEL 3

Ist das Kultur oder kann das weg?

... fragten sich vermutlich Millionen Menschen, die den Corona-Lockdown 2020 dafür nutzten, ihre Dachböden, Keller und Bücherregale auszumisten. Möglicherweise hielt dabei die eine oder der andere eine Bibel in der Hand.

Meine Güte: Ledereinband, Goldschnitt, jeder Anfangsbuchstabe ein kalligraphisches Kunstwerk. Gelesen hat man die doch nie, diese Bibel. Solche Schinken werden ja auch nicht gelesen, sondern verschenkt. Zu denselben Anlässen, zu denen man auch in die Kirche geht: Taufe, Konfirmation, Hochzeit. Und nach der Beerdigung wird sie vererbt. Ungelesen weitervererbt. Bis zur nächsten Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Beerdigung. Viermal im Leben geht der durchschnittsreligiöse Deutsche zur Kirche. Zweimal davon wird er getragen.

Dabei werden weltweit jedes Jahr etwa 40 Millionen Bibeln verkauft! Es ist der Mega-Bestseller, den die Hit-Listen der Nachrichtenmagazine wöchentlich ignorieren. Übersetzt in rund 1600 Sprachen, allein auf Deutsch sind rund 35 verschiedene Übersetzungen erhältlich. Von den hunderterlei Ausstattungsvarianten ganz zu schweigen. Die teuerste Bibel wurde bei Sothebys für 13 Millionen Euro versteigert, ihre ältesten Textfragmente sind unbezahlbar.

Schön und gut, aber - was wüssten Karl-Heinz und Karla, falls sie mal nach Inhalten gefragt würden? In Quizshows wird doch alles Mögliche gefragt! Wenig. Eigentlich nichts. Ein paar Figuren, ja. »Adam und Eva. Oder Noah, der mit der Arche. Und dass Jesus übers Wasser ging. Also gegangen sein soll, man weiß es ja nicht« ...

Schade. Viele Leute meinen zu wissen, nicht glauben zu können, wovon sie nichts wissen. Obwohl sie es könnten, das Glauben. Denn lange vor der Frage, »ob man das glauben soll«, werden selbst überzeugte Nichtreligiöse zustimmen, dass man ohne die Bibel unsere gesamte europäische, »abendländische« Kultur nicht wirklich erfasst. Weil sie von der Bibel durchdrungen ist wie von keinem anderen Buch. Und dass man - auch ohne gläubiges Einverständnis - von, mit und in der Bibel viel lernen kann. Bildungsförderliche Kulturtechniken zum Beispiel:

Lernen lernen

Ich wuchs in einer frommen Familie auf, in der - zumindest in den Jahren, die ich erinnere - nach dem Mittagessen ein Kapitel aus der Bibel laut vorgelesen wurde. Was wir drei Kinder vermutlich nur deshalb stillsitzend ertrugen, weil es den Nachtisch erst nach der Rezitation gab. »Dessert? Erst hinterher!« Wie eine Art Belohnung. Erklärt wurde wenig, infrage gestellt wurde nix. Wirklich verstanden wahrscheinlich das Wenigste.

Aber: Schon in der Grundschule stellten die Lehrkräfte bei mir ein »ungewöhnliches Faible für Sprache«, »lange Aufmerksamkeitspannen« und »interessierte Offenheit« fest. Zuhören können, mitdenken, literarische Figuren bewundern oder fürchten, sich mit ihnen identifizieren oder sie ablehnen; nicht nur Kampfszenen, auch Gespräche oder Mimik spannend finden; sich Merksätze tatsächlich merken - all diese »soft skills« eines Schulkindes verdanke ich der Bibel. (Was desaströse Noten in Mathe und Betragen nicht ausschloss.) Genauer: Ich verdankte meine Lernlust der Selbstverständlichkeit, mit der unsere Eltern die Bibel lasen, vorlasen oder zitierten.

Das hätte bei nicht so arg evangelischen Bildungsbürgern vielleicht auch mit Grimms Märchen, den Buddenbrooks oder Goethes Faust funktioniert. Mag ja sein. Aber der Unterschied von Nils Holgersson, Tom Sawyer, Pipi Langstrumpf, Winnetou und Kara Ben Nemsi - die ich dann selber las - zu den Dramen um Lea und Rebekka, den Abenteuern des Joseph, des Mose, des David und Jonathan, der Königin Isebel gegen Elia, der Maria Magdalena oder zu den Worten und Taten des Jesus von Nazareth - dieser Unterschied war irgendwie immer klar. Weil die Akteure einer Geschichte in direkter Anrede »angesprochen« wurden! Von Gott, der ja in der Bibel wie