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Bauernsterben

Wie die globale Agrarindustrie unsere Lebensgrundlagen zerstört | Bartholomäus Grill

E-Book
2023 Siedler Verlag
240 Seiten
ISBN: 978-3-641-30218-4

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Kurztext / Annotation
Wir sehen das Gras nicht wachsen, wir trampeln nur darauf herum: Wie die globale Agrarindustrie die traditionelle Landwirtschaft und bäuerliche Strukturen zerstört und dabei die ökologische Krise noch verschärft
In diesem großartig erzählten, zornigen Buch beschreibt der legendäre Reporter Bartholomäus Grill den globalen Siegeszug der Agrarindustrie und die fatalen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Er wuchs als Bauernbub in einer Epoche auf, in der die meisten Höfe noch in natürlichen Kreisläufen wirtschafteten. Später erlebte er den Beginn der »grünen Revolution«, den Modernisierungsschub der Landwirtschaft, die ein beispielloses Bauernsterben auslöste.

Grill beschreibt eine der destruktivsten Kräfte, die die Menschheit je entfesselt hat: die industrielle Landwirtschaft und die ökonomischen, ökologischen und sozialen Schäden, die sie anrichtet. Im Zentrum steht die Plünderung der begrenzten biologischen Ressourcen und die flächendeckende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Es geht um den Krieg gegen die Natur - und gegen uns selbst. Dieses Buch ist ein leidenschaftlicher Appell für eine radikale Transformation unseres Landwirtschafts- und Ernährungssystems.

Bartholomäus Grill, 1954 in Oberaudorf am Inn geboren, wuchs auf einem Bauernhof auf, den seine Eltern in der Tradition nachhaltiger Kreislaufwirtschaft führten. Er studierte Philosophie, Soziologie und Kunstgeschichte. Vier Jahrzehnte lang hat er als Korrespondent der ZEIT und des SPIEGEL aus Afrika berichtet und immer wieder über den Siegeszug der globalen Landwirtschaft geschrieben. 2006 wurde er für eine Reportage über den Tod seines Bruders mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Grill veröffentlichte den Bestseller »Ach, Afrika« (2003), außerdem »Um uns die Toten« (2014), »Wir Herrenmenschen« (2019) und zuletzt »Afrika!« (2021). Er lebt in Kapstadt.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Prolog

Die Agrarkrieger

Ein unheimliches Geräusch durchdringt die frühherbstliche Stille, es hört sich an, als würde sich ein Schwertransporter nähern. Das Dröhnen wird lauter und lauter. Plötzlich taucht das Ungetüm hinter einer Bodenwelle auf: Ein Feldhäcksler, Marke John Deere 9900i, V12-Motor, 970 PS. Die Erntemaschine donnert an den Rand des Ackers, um Treibstoff nachzufüllen. Drei junge Männer bedienen mit flinken Handgriffen die Apparaturen am Tanklaster, sie tragen grün-gelbe Arbeitsanzüge, die Farben von John Deere. 1500 Liter Diesel rauschen durch den Schlauch. Die Szene wirkt wie ein Gefechtseinsatz, erinnert an amerikanische B-52-Langstreckenbomber, die in der Luft mit Treibstoff befüllt werden. Der Tank ist voll, der tonnenschwere Koloss walzt wieder hinaus auf den Acker. Attacke! Die Schneidwerke fressen sich hinein in das Heer der Maisstauden, der Körnerprozessor rauscht. Vom Ausleger, der aussieht wie ein Geschützrohr, wird der geschredderte Mais auf einen dreiachsigen Seitenkipper namens »Gigant« geschossen.

Die Männer in den grün-gelben Uniformen verfolgen das Geschehen vom Feldrain aus, sie fachsimpeln über ihren »Johnny«, diese Wundermaschine, die weit über eine halbe Million Euro kostet. Wie ich sie in ihren klobigen Sicherheitsschuhen so auf dem plattgewalzten Acker stehen sehe, kommt mir eine Erzählung von Vladimir Nabokov in den Sinn: »Sie dachte ... an schöne wilde Pflanzen, die sich vor dem Bauern nicht verstecken können und hilflos zusehen müssen, wie sein Schatten, affenartig vornübergebeugt, verstümmelte Pflanzen in den Fußstapfen zurücklässt, da die ungeheuerliche Dunkelheit naht.« Präziser kann man die Fühllosigkeit, ja Grobheit eines der Natur entfremdeten Primaten nicht beschreiben. Genau so kommen mir die Männer am Rande des Maisfelds vor: nicht wie Bauern, sondern wie Agrarsoldaten, Teilnehmer eines Krieges, der zu dieser Jahreszeit in ganz Deutschland tobt. Das Schlachtfeld ist 2,65 Millionen Hektar groß - die bundesweite Gesamtfläche, auf der Mais angebaut wird. Wir befinden uns im Frontabschnitt Oberpfalz, genauer: auf den Winzerer Höhen, hoch über dem Donautal vis-à-vis von Regensburg.

Keine zweihundert Meter entfernt stoße ich auf einen kleinen Flecken, der mit hohen Gräsern und Blumen in den herrlichsten Farben übersät ist. Hier sind sie, die schönen wilden Pflanzen. Grillen zirpen, Bienen und Hummeln fliegen emsig von Blüte zu Blüte, dazwischen flattern Kohlweißlinge herum. Eine von Naturschützern angelegte Blühwiese, deren Schönheit und Vielfalt die martialischen Ernteszenen gleich nebenan noch befremdlicher macht. Die eingehegte Biodiversität auf diesem Flurstück mutet wie ein lächerlicher Ausgleich für das Vernichtungswerk an, wie eine Art Beruhigungsbotanik.

An diesem Oktobertag auf den Winzerer Höhen wurde die Idee zu diesem Buch geboren. Es handelt von einer der destruktivsten Kräfte, die die Menschheit je entfesselt hat: von der modernen Landwirtschaft und den ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Schäden, die sie anrichtet. Im Zentrum stehen die Plünderung unserer begrenzten biologischen Ressourcen und die flächendeckende Zerstörung der Umwelt durch den weltumspannenden agro-industriellen Komplex, der so mächtig geworden ist wie der militärisch-industrielle Komplex. Es geht um den Krieg gegen die Natur - und gegen uns selbst.

Der Krieg wird gelenkt durch die Feldherren des Agrar- und Nahrungsmittelsektors; die Rüstungsgüter liefern Chemie-, Pharma- und Saatgutkonzerne; für die Propaganda sind Landwirtschaftspolitiker, Funktionäre der Bauernverbände und Lobbyisten zuständig. In der Etappe marschieren die Finanzbataillone. Die konventionellen Landwirte bilden das Heer der Fußsoldaten. Ihre Waffen: fossile Energie, tonnenschweres Gerät, Kunstdünger, Pestizide, Kraftfutter, Antibiotika, Wachstumshormone. Ihre Schlachtfelder: bereinigte Fluren, Monoku