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Drei Frauen träumten vom Sozialismus

Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf | Carolin Würfel

E-Book
2022 Carl Hanser Verlag Gmbh & Co. Kg
Auflage: 1. Auflage
272 Seiten
ISBN: 978-3-446-27551-5

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Kurztext / Annotation
Christa Wolf, Brigitte Reimann und Maxie Wander - Carolin Würfel porträtiert diese drei Ikonen der DDR-Literatur und wirft einen modernen Blick auf das große Versprechen des Sozialismus.
Christa Wolf, Brigitte Reimann, Maxie Wander - waren sie Träumerinnen oder Macherinnen, diese drei Frauen, die zu Ikonen der DDR-Literatur wurden? In ihrem atmosphärischen Porträt zeigt Carolin Würfel drei Schriftstellerinnen, die im Temperament unterschiedlicher kaum sein könnten und die doch eines eint: die Begeisterung für das Versprechen des Sozialismus, die Bereitschaft, den Traum vom neuen Menschen in ihrem Alltag, ihrer Arbeit und ihren Beziehungen umzusetzen. Mit welchem Selbstbewusstsein diese Frauen in den 1950er- und 1960er-Jahren ihre Ziele verfolgen, sich dabei als Freundinnen stützen - wie ihre Träume aber auch platzen, davon erzählt Carolin Würfel inspiriert und mitreißend und lässt ein Stück Zeitgeschichte lebendig werden.

Carolin Würfel, geboren 1986 in Leipzig, studierte Geschichte und Publizistik in Berlin und Istanbul. Sie arbeitet als freie Autorin und Journalistin, insbesondere für die Wochenzeitung DIE ZEIT. 2019 erschien von ihr Ingrid Wiener und die Kunst der Befreiung, 2022 Drei Frauen träumten vom Sozialismus über die DDR-Schriftstellerinnen Brigitte Reimann, Christa Wolf und Maxie Wander.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Brigitte

Burg

Die Geschichte von Brigitte Reimann fängt in Burg an, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt mit engen Gassen, schiefen Fachwerkhäusern, einer Kirche namens »Unser lieben Frauen«, einer Handvoll mittelalterlicher Türme und einem halben Dutzend Schuhfabriken. Der idyllischste Ort: der Flickschuhpark. Im Frühling blühen Tulpen unter zotteligen Trauerweiden, und die ungeheuren Eichen wölben sich darüber wie ein grüner Dom. Das große Rathaus, am Fuß des Weinbergs, dessen Grundmauern seit dem 13. Jahrhundert stehen, erzählt von den experimentierfreudigen Bauherren des Mittelalters und die holprigen Treppen, die Berg und Tal verbinden, gehören zu den wenigen kühlen Orten, an denen es sich im Sommer ohne verschwitzte Oberlippe küssen lässt.

Burg ist ein idealer Schauplatz für Märchen und Legenden. Eine der bekanntesten spielt im alten Hexenturm, der im 17. Jahrhundert als Gefängnis für Frauen mit angeblich magisch-teuflischen Kräften benutzt wurde. Seitdem sollen in Vollmondnächten die Schreie einer jungen Frau zu hören sein, die verzweifelt um ihr Leben ringt, und in gewisser Weise passt diese Legende zu Brigitte Reimann, die hier in Burg am 21. Juli 1933, einem sonnigen Freitag als älteste Tochter von Willi und Elisabeth Reimann auf die Welt kommt - mit seinem Mund und ihren Augen. Auch sie wird um ihr Leben kämpfen, mehr als einmal, und sich - wie ihre unbeugsamen Vorfahrinnen - dem obersten Gebot der Kleinstadt früh widersetzen: Du sollst nicht aus der Reihe tanzen.

Das Jahr ihrer Geburt prägten politische Umbrüche. Im Mai hatte auf dem Schützenplatz eine öffentliche Bücherverbrennung stattgefunden und bei den Wahlen im selben Monat stimmte mehr als ein Drittel der Bevölkerung für die NSDAP. Ein immerhin genauso großer Teil setzte das Kreuz neben die SPD. Brigittes Vater Willi gehörte nicht dazu. Er war Teil der ersten Gruppe.

Willi Reimann, ein großer Mann, mit hoher Stirn, tiefen Geheimratsecken und sanften Augen, hatte dem Druck früh nachgegeben und war in die nationalsozialistische Partei eingetreten. In der Familie wurde dieser Akt des vorauseilenden Gehorsams damit entschuldigt, dass er als Verlagsmitarbeiter gar keine Wahl hatte. Anfang der dreißiger Jahre hatte der gelernte Bankangestellte die Branche gewechselt und war seitdem Journalist und Redakteur beim Verlag August Hopfer und dessen Zeitung Tageblatt, wo er die Ressorts Politik und Unterhaltung verantwortete und Bildbände layoutete. Schon sein Vater Gustav - ein alteingesessener Burger, mit strengem Blick und Zweifingerbart - hatte für den Verleger-Patriarchen als Buchdrucker gearbeitet.

Jeden Mittag, wenn Willi Reimann zum Essen aus dem Verlag kam, warteten Brigitte und ihr ein Jahr jüngerer Bruder Lutz bereits voller Sehnsucht vor dem großen Haus in der Neuenburger Straße 2 auf das scheppernde Klingelzeichen, das die Ankunft des schwarzen Herrenrads schon vor der Kurve ankündigte, und hofften darauf, dass er ihnen entweder eine neue Geschichte oder die Schokoladenzigarren mitbrachte, mit denen sich, versteckt zwischen den Bücherschluchten des väterlichen Arbeitszimmers, bittersüßes Erwachsenenleben imaginieren ließ. An den Wochenenden saßen die große Schwester und der kleine Bruder oft ehrfürchtig auf Willis Schoß und hörten zu, wie er ihnen vorlas. Sprache, das verstand Brigitte Reimann dank ihm früh, öffnete Welten und war ein Instrument, das den Horizont der Kleinstadt Burg verschieben und erweitern konnte.

Eine Geschichte, die immer und immer wieder erzählt werden musste, war Tamerlan der Große von dem englischen Dramatiker Christopher Marlowe. Sie geht in Kurzform so:

Es war einmal ein persischer Architekt, der sich unsterblich in eine chinesische Prinzessin verliebte. Diese Prinz