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Die Psyche des Homo Digitalis

21 Neurosen, die uns im 21. Jahrhundert herausfordern | Johannes Hepp

E-Book
2022 Kösel-verlag
416 Seiten
ISBN: 978-3-641-29459-5

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Kurztext / Annotation
'Ein tolles Buch!'
Markus Lanz in: Podcast LANZ & PRECHT, 11.11.22

Der Psychologe und Psychotherapeut Johannes Hepp zeigt, was uns im Zuge der rasant voranschreitenden Digitalisierung neurotischer werden lässt, welche Gründe dafür verantwortlich sind, wie wir uns dieser Entwicklung bewusst werden und wie wir selbstbestimmt und selbstwirksam gegensteuern können.

Unterteilt in Liebe, Arbeit und Sinn stellt Hepp dazu 21 Neurosen des 21. Jahrhunderts vor. Er spannt dabei einen Bogen von Internet- und Online-Sexsucht, Beziehungsängsten und wachsender Einsamkeit (trotz globaler Vernetzung), von der Dating- und Profilneurose über Erziehungswettstreit und krank machenden Perfektionismus, Selbstoptimierungs- und Einzigartigkeitszwängen bis hin zu den Ewigkeitsversprechen der Altersforschung und neuen Datenreligion.

Damit wir zu diesen schwindelig machenden Prozessen ein gesundes Verhältnis entwickeln können, liefert der Autor für unsere Turbozeit aus Bits und Bytes eine scharfsinnige, aber auch hoffnungsfrohe und humorvolle Auseinandersetzung. Durch konkrete Hinweise, persönliche Erfahrungen und Beispiele aus der psychotherapeutischen Praxis hilft Hepp dabei, unsere psychische Widerstandskraft zu stärken und heil durch den digitalen Dschungel zu finden.

Johannes Hepp, geboren 1969 und Vater von zwei Söhnen, arbeitet als Psychologe, systemischer Paar- und Familientherapeut und Psychoanalytiker in eigener Praxis in München. Er studierte Philosophie im Kongo, lernte von Otto Kernberg in New York, studierte das Leben als freier Künstler in Buenos Aires, interessierte sich als Fotojournalist und scharfer Beobachter für die Abgründe des Lebens und war als psychologischer Sachverständiger für Familienrecht in Bayern tätig - und verlor dennoch nie seinen Humor.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

EINLEITUNG // NETZNEUROSEN

Vor zehn Jahren kam ein verzweifelter 35-jähriger IT-Spezialist in meine psychotherapeutische Praxis, nachdem er sich aus Eifersucht das Leben hatte nehmen wollen. In letzter Sekunde hatte er beschlossen, nicht abzudrücken, sondern therapeutische Hilfe zu suchen. So kam ich zu meinem ersten Patienten, der mich auf die neuen Neurosen des Homo Digitalis aufmerksam machte.

Er wohnte mit seiner Lebenspartnerin seit zehn Jahren gemeinsam in einem Einfamilienhaus mit Garten und seit einigen Jahren in einem Smart Home, das er eigenhändig mit Sensoren und den neusten Technologien ausgestattet hatte. Als er begann, von den vermuteten Seitensprüngen seiner Partnerin zu erzählen, und ich wissen wollte, weshalb er sich denn so sicher sei, betrogen worden zu sein, streckte er mir sein Smartphone entgegen und sagte: »Hier drin habe ich alles schwarz auf weiß.«

Dann zeigte er mir Diagramme, Zahlen und Kurven und begann zu erzählen: Als er vor zwei Monaten auf Dienstreise gewesen sei, sei die Schlafzimmertemperatur zwischen zehn und elf Uhr vormittags um vier Grad Celsius angestiegen und das, obwohl um elf Uhr der Rollladen mit der Fernbedienung runtergefahren und die Heizung nicht hochgeregelt worden sei. Er schaute mich mit großen Augen erwartungsvoll an, aber ich stand noch auf dem Schlauch.

Seine Freundin habe behauptet, jenen Dienstag wie gewöhnlich im Büro verbracht zu haben. Doch ihr Auto sei den ganzen Vormittag vor dem Haus geparkt geblieben, was er mir mit einem Video einer Überwachungskamera belegen wollte, was ich dankend ablehnte. Des Weiteren sei um 10:17 Uhr und um 12:34 Uhr die Haustüre geöffnet und ungewöhnlich lange nicht geschlossen worden, was er sich mit Küssen im Türrahmen erklärte. Seit Wochen schaffe er es nicht mehr, sich um seine Firma zu kümmern, starre ständig auf sein Smartphone, gehe zwar noch in die Firma, aber nur damit seine Freundin nicht Verdacht schöpfe, dass er ihr weiterhin nachspioniere.

Nach ein paar Wochen kam seine Lebenspartnerin zu einer gemeinsamen Sitzung mit in die Praxis, setzte sich und verkündete ohne Umschweife: »An jenem Dienstag hatte ich ihn noch nicht betrogen, aber als ich erfuhr, dass er unser Haus mit dem ganzen Spionagekram verwanzt hat, habe ich es getan. Das ist kein Smart Home, das ist eine beschissene Stasi-Zentrale! Hier will ich heute nur noch sagen, dass ich mich trennen werde.« Dann stand sie auf und ging.

Wir verbrachten noch viele Stunden mit der Aufarbeitung dieses kurzen Auftritts, und letztlich konnte ich seine paranoide Eifersuchtsneurose innerhalb eines Jahres erfolgreich behandeln. Natürlich war diese das eigentliche Problem, und die ganze Überwachungstechnik verstärkte nur eine psychische Störung, die schon zuvor angelegt war. Krankhafte Eifersucht ist eigentlich immer ein Ausdruck von abgewehrten Minderwertigkeitskomplexen, entweder gegenüber der Partnerin oder dem Partner oder gegenüber einer (potenziellen) Konkurrentin oder einem (mutmaßlichen) Nebenbuhler. Dennoch trugen die technischen Spionagemöglichkeiten entscheidend dazu bei, dass sich mein Patient nicht mehr entspannen konnte und sich immer weiter in seinen Eifersuchtswahn hineinsteigerte, bis er sogar kurz davor gewesen war, sich zu erschießen - nur aufgrund verdächtiger Daten, erzeugt von Smartphone-Apps.

WAS INDUSTRIE 4.0 UND NEUROSE 4.0 GEMEINSAM HABEN

Das war meine erste Neurose 4.0, die ich behandelte, und es sollten jedes Jahr mehr werden. Neurosen, die selbst zwar nicht neu sind, aber ihre Auslöser sind neu und die (meist digitalen) Mechanismen, die sie immer weiter befeuern, ebenfalls. Mit der Bezeichnung »4.0« soll das Ziel zum Ausdruck gebracht werden, eine vierte (industrielle und gesellschaftliche) Revolution einzuleiten.

Die erste industrielle Revolution bestand in der Mechanisierung mittels W