Buchhandlung Herder

Suche

Der verkannte MenschOverlay E-Book Reader

Der verkannte Mensch

Ein neuer Blick auf Leben, Liebe und Kunst der Neandertaler - »Eine wichtige Lektüre für alle, die sich für die Menschheit interessieren.« Yuval Noah Harari | Rebecca Wragg Sykes

E-Book
2022 Goldmann Verlag; Bloomsbury Uk
512 Seiten; mit 8-seitigem vierfarbigen Bildteil
ISBN: 978-3-641-28626-2

Rezension verfassen

€ 19,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
  • Als Hardcover erhältlich
Kurztext / Annotation
Gewalttätige Muskelprotze, die in eisiger Einöde ein trostloses Leben fristeten und schließlich zugunsten des modernen Homo sapiens für immer verschwanden: Obwohl wir heute wissen, dass wir den Neandertalern auch genetisch näher stehen als lange angenommen, hält sich das Bild vom unkultivierten Urmenschen in unseren Köpfen.
Die britische Archäologin Rebecca Wragg Sykes hat aktuelle Forschungsergebnisse ausgewertet und wagt mit diesem Buch einen neuen Blick auf das Leben unserer unterschätzten Verwandten. Einfühlsam und poetisch zeichnet sie das faszinierende Bild der Neandertaler als kluge Kenner ihrer Welt - technologisch erfinderisch, ökologisch anpassungsfähig, ausgestattet mit einem ästhetischen Sinn und hoch entwickelten sozialen Fähigkeiten. Die unvoreingenommene Auseinandersetzung mit unseren alten Verwandten, die über 300.000 Jahre lang auf dieser Welt lebten und dabei extremen klimatischen Umwälzungen trotzten, lohnt im Zeitalter globaler Pandemien und Umweltkatastrophen mehr denn je. Eine verblüffende Lektüre, die uns Demut lehrt und unseren Ursprüngen näherbringt. Mit stimmungsvollen Zeichnungen und informativem vierfarbigen Bildteil.

Die britische Archäologin Rebecca Wragg Sykes war schon als Kind von den Neandertalern fasziniert. Neben ihrer Forschungstätigkeit ist ihr sehr an der Wissenschaftskommunikation gelegen. Sie publiziert in Printmedien wie The Guardian und The New York Times und spricht in Wissenschaftssendungen über ihre Arbeit. Außerdem ist sie Mitbegründerin des TrowelBlazers Projekts, das sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Archäologie und den Geowissenschaften einsetzt. Der verkannte Mensch ist ihr erstes Buch, für das sie 2021 mit dem renommierten Hessell-Tiltman-Geschichtspreis ausgezeichnet wurde.

@LeMoustier
www.rebeccawraggsykes.com

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Einleitung

Ein Geräusch von jenseits der Zeit erfüllt die Höhle: Nicht das Rauschen der Wellen, denn das Meer ist geflohen, seit die Kälte zugebissen hat und die Berge unter der eisigen Last ächzen. Jetzt umstehen harsche Wände einen weichen, verebbenden Atem, einen langsamer werdenden Herzschlag. Am Ende der Welt blickt der letzte Neandertaler Iberiens in die aufgehende Sonne über dem fernen Mittelmeer. Der steingraue Himmel lichtet sich, das Gurren der Felstauben vermischt sich mit dem Kreischen verirrter Möwen, die schreien wie hungrige Kinder. Doch es sind keine Kinder mehr da, niemand mehr, um mit ihm die Sterne verblassen zu sehen, und niemand ist bei ihm, um zu wachen, bis sich sein letzter Atemzug in der Luft verflüchtigt.

Vierzig Jahrtausende später ist das Meer zurück, die Luft schmeckt nach Salz, Stimmen und Musik hallen durch die Höhle - ein Requiem für einen Traum der Ahnen.

Wir befinden uns in Gorham's Cave auf Gibraltar, es ist das Jahr 2014. Hier, an der lauschigen Südwestspitze Europas, versammeln sich Archäologen und Anthropologinnen alljährlich zu einer ihrer zahlreichen Neandertaler-Konferenzen. Doch dieses Jahr ist etwas Besonderes. Unter den Besuchern der hallenartigen Höhlen ist auch der Musiker Kid Coma, seinen Kollegen besser bekannt als der Biologe Doug Larson. Zu den Klängen seiner Gitarre singt er vom »letzten Menschen« - einige der jüngsten Neandertalerfunde stammen von der Iberischen Halbinsel und aus diesen Höhlen. Während seine Stimme durch die steinerne Kathedrale hallt, sind Vortragsnotizen, Theoriedebatten oder die Klassifizierung von Steinwerkzeugen vergessen. Die Kollegen lauschen, erfüllt von dem zutiefst menschlichen Bedürfnis, eine Verbindung zur Vorzeit zu spüren. Jemand hatte eine Kamera dabei, und wenn Sie wollen, können Sie diesen bewegenden Moment auf YouTube nacherleben.

Dieses Nachtlied an einer Zehntausende Jahre alten Beinstätte wirft ein Streiflicht auf die Menschen hinter der Wissenschaft. Kaum sind die akkuraten wissenschaftlichen Vorträge beendet, ergehen sich die Kollegen (die ja auch miteinander befreundet sind) in Bars und Cafés zwanglos und leidenschaftlich in Spekulationen. Ihre Gespräche drehen sich um »Traumorte«, bekannte und unbekannte, und darum, ob wir jemals auch nur einen flüchtigen Blick von der Lebenswirklichkeit der Neandertaler erhaschen werden.

In diesem Buch können Sie diesen Gesprächen lauschen. Es richtet sich an Leser, die ein bisschen oder vielleicht auch noch gar nichts von den Neandertalern wissen, an Interessierte und Liebhaber. Aber es könnte sogar etwas für die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sein, die das große Glück haben, die Welt der Neandertaler zu erforschen, denn ihre Aufgabe wird zunehmend unüberschaubar: Verschlungene Pfade durch Daten und Theorien werden von immer neuen Entdeckungen überlagert, die zu Richtungswechseln und Kehrtwenden zwingen. Die schiere Masse der Information ist kaum zu bewältigen: Experten haben kaum mehr die Zeit, alle neuen Veröffentlichungen auf ihrem eigenen Spezialgebiet zu lesen, von der gesamten Forschungsliteratur über die Neandertaler ganz zu schweigen. Selbst erfahrene Wissenschaftler stehen verblüfft vor immer neuen Enthüllungen.

Die Neandertaler haben diese breite Aufmerksamkeit und Erforschung verdient. Mehr als jede andere ausgestorbene Menschenart genießen sie die Popularität von Popstars. Auf der Liste unserer frühen Verwandten (der sogenannten Homininen) stehen sie ganz oben, bedeutende Funde werden auf den Titelseiten der Fachblätter und Tageszeitungen verkündet. Unsere Faszination ist ungebrochen, der Begriff »Neandertaler« wird häufiger gegoogelt als »menschliche Evolution«.

Dieser Promistatus ist allerdings zweischneidig. Medienmacher wissen, dass Neandertaler Klicks bringen, und locken ihre Leser mit aufgepeppten Berichten und reißerischen Schlagzeilen wie »X rottete