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Die seltsamsten Menschen der WeltOverlay E-Book Reader

Die seltsamsten Menschen der Welt

Wie der Westen reichlich sonderbar und besonders reich wurde | Joseph Henrich

E-Book
2022 Suhrkamp Verlag
Auflage: 1. Auflage
918 Seiten
ISBN: 978-3-518-77254-6

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Kurztext / Annotation

Es gibt einen Menschenschlag, der sich von allen anderen früheren und heutigen stark unterscheidet. Sein Gehirn ist so verdrahtet, dass er in der Regel Gesichter schlechter erkennen kann, weniger auf seine Verwandten achtgibt und die Welt »scheibchenweise« verstehen will. Bei diesen sonderbaren Personen handelt es sich aber nicht etwa um peruanische Matsigenka, Fidschi-Insulanerinnen, chinesische Reisbauern oder die Jäger und Sammlerinnen der Hadza im heutigen Tansania - sondern um Leute wie Sie und mich!

Aber warum sind wir »Westler« so sonderbar - und was hat das mit Demokratie und Religion, mit Falschparken und Heiraten, Totems und Tabus, mit Aufklärung, Industrieller Revolution, Globalisierung und überhaupt fast allem anderen zu tun? Und warum war ausgerechnet das katholische Ehe- und Familienmodell des Mittelalters so überaus wichtig? Anhand von faszinierenden psychologischen Experimenten und ausgedehnten Feldforschungen sowie gestützt auf eine Fülle historischer und soziologischer Daten zeigt der Anthropologe Joseph Henrich auf brillante Weise, wie uns Evolution, Geschichte und vor allem die Kultur zu dem gemacht haben, was wir heute sind: die seltsamsten Menschen der Welt. Ein wegweisendes Buch voller Überraschungen.



Joseph Henrich, geboren 1968, studierte zunächst Anthropologie sowie Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete dann als Systemingenieur bei General Electric. Anschließend wurde er Professor für Kultur, Kognition und Koevolution an der University of British Columbia. Seit 2015 ist er Direktor und Professor des Department of Human Evolutionary Biology der Harvard University.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

9Vorwort

Im Jahr 2006 schlug ich unwissentlich den Weg zu diesem Werk ein, als ich vom anthropologischen Fachbereich der Emory University an die University of British Columbia (UBC) in Vancouver wechselte und dort Professor für Psychologie und Ökonomie wurde. Das war eine ganz schön unwahrscheinliche Anlaufstelle, da ich in keinem der beiden Felder je einen Kurs belegt hatte. Schon kurz nach meiner Ankunft an der UBC legten zwei scheinbar unabhängige Entwicklungen den Grundstein für dieses Buch. Erstens schlug die Dekanin der Wirtschaftsfakultät, Anji Redish, vor, ich solle einen Kurs namens »Der Wohlstand und die Armut der Nationen« unterrichten, um meinen Lehrverpflichtungen nachzukommen. Sie hatte gehört, dass ich als Doktorand an der UCLA ein Seminar gegeben hatte, das auf Jared Diamonds Buch Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften basierte. Der Kurs gab mir die Gelegenheit, mich tief in die wirtschaftswissenschaftliche Literatur darüber einzuarbeiten, warum Länder sich in ihrer Prosperität unterscheiden und warum die Industrielle Revolution gerade in Europa und nicht anderswo stattfand. Thematisch passte diese Forschung hervorragend zu meinem langjährigen anthropologischen Interesse an der Entwicklung menschlicher Gesellschaften, obwohl Anthropologen normalerweise nicht versuchten, Dinge zu erklären, die sich nach dem Auftauchen der ersten Staaten ereigneten. Ökonomen wiederum blickten (damals) selten 10mehr als etwa 500 Jahre zurück. Jedes Mal, wenn ich den Kurs gab, modifizierte ich auch den Lesestoff, was mir die Möglichkeit eröffnete, das ganze Feld zu erforschen und zu kritisieren. Das machte zwar Spaß, machte mir aber noch nicht bewusst, wie wichtig dieses Wissen für meine Bemühungen um das Verständnis der psychologischen Unterschiede von Menschen noch werden würde.

Die zweite bedeutsame Entwicklung ergab sich, als ich Ara Norenzayan und Steve Heine kennenlernte, beide Sozialpsychologen an der UBC. Ara, ein Armenier, der mit 18 aus dem vom Krieg zerrütteten Libanon nach Fresno, Kalifornien, emigriert war, hatte den ersten Teil seiner wissenschaftlichen Karriere damit verbracht, kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung, im Denkstil und im Argumentieren zu studieren. Steve, dessen Forschungen (meiner Vermutung nach) oft vom täglichen Umgang mit seiner japanischen Ehefrau inspiriert wurden, hatte verglichen, wie Kanadier und Japaner über sich selbst im Verhältnis zu anderen nachdenken und wie sich das auf ihre Motive, ihre Entscheidungen und ihr Selbstverständnis auswirkt. Unabhängig voneinander hatten wir alle - in unseren jeweiligen Kompetenzbereichen - bemerkt, dass Westlerinnen und Westler beim Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen oft herausstachen. Über chinesischem Fastfood (in einem unterirdischen Food-Court, in dem angeblich die berühmten Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky ihre Pläne zur Untersuchung rationaler Entscheidungsfindung ausgeheckt hatten) beschlossen wir, alle kulturübergreifenden Studien zusammenzutragen, die wir zu wichtigen Aspekten der menschlichen Psychologie nur finden konnten. Nach sorgfältiger Durchsicht dieser Untersuchungen kamen wir zu drei bemerkenswerten Schlussfolgerungen:

  1. 11Massiv verzerrte Stichproben: Das meiste, was man über Psychologie und Verhalten des Menschen experimentell herausgefunden hatte, basierte auf Experimenten mit Studierenden aus westlichen Gesellschaften. Zum damaligen Zeitpunkt stammten 96 Prozent der Teilnehmer aus Nordeuropa, Nordamerika oder Australien, und etwa 70 Prozent davon waren amerikanische Studierende.

  2. Psychologische Diversität: Psychologische Unterschiede zwischen Bevölkerungen zeigten sich in vielen wichtigen Bereichen, was auf eine Variation hindeutete, die viel größer wa