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Wilde Jagd

Roman | René Freund

E-Book
2023 Paul Zsolnay Verlag
Auflage: 1. Auflage
288 Seiten
ISBN: 978-3-552-07381-4

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Kurztext / Annotation
Eine verschwundene Pflegerin, ein Dorf, ein Geheimnis: der neue Roman von René Freund über einen Philosophieprofessor und ein Dorf voller Rätsel
In Stein am Gebirge scheinen alle alles zu wissen. Und eisern zu schweigen. So kommt es Quintus Erlach zumindest vor. Der Philosophieprofessor will den Sommer im Haus seiner Kindheit verbringen, da weder seine Frau noch seine Tochter derzeit mit ihm zu tun haben wollen. Gerade fürs Hundesitting ist er noch gut genug, und beim Spazierengehen lernt er Evelina kennen. Sie kommt aus der Slowakei und pflegt den alten Zillner, nachdem dessen frühere Pflegerin spurlos verschwunden ist. Evelina und Quintus wollen herausfinden, was mit ihr passiert ist. Aber haben sie sich mit den Zillners, denen das ganze Dorf gehört, womöglich einen zu mächtigen Gegner ausgesucht? Witzig, geistreich und fast schon ein Krimi.

René Freund, geboren 1967, lebt als Autor und Übersetzer in Grünau im Almtal. Er studierte Philosophie, Theaterwissenschaft und Volkerkunde und war von 1988 bis 1990 Dramaturg am Theater in der Josefstadt. Zuletzt erschienen Liebe unter Fischen (2013), seine Familiengeschichte Mein Vater, der Deserteur (2014), Niemand weiß, wie spät es ist (2016), Ans Meer (2018), Swinging Bells (2019) und Das Vierzehn-Tage-Date (2021).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Donnerstag, 5. Juli 2018
5

Machtnix hat seinen Kopf unter meine Hand gelegt und streichelt sich selbst, indem er den Kopf genüsslich hin- und herbewegt. Offensichtlich habe ich mich aus dem Fauteuil auf das Sofa sinken lassen und dort weitergeschlafen, ohne etwas davon bemerkt zu haben. Es regnet immer noch. Die Tropfen klatschen auf das Dach, als würde der Himmel Wasserbomben werfen. Beunruhigend. Ich rapple mich auf, vergesse meinen Fuß, der sich beim Auftreten mit stechenden Schmerzen in Erinnerung ruft. Ich hantle mich ächzend die Holztreppe hinauf und hinke zunächst ins Badezimmer. Alles in Ordnung bei den Wasserhähnen. Gästezimmer ... Kinderzimmer ... Schlafzimmer. Als ich die Tür öffne, kommt mir das Wasser entgegen. Ich blicke entsetzt auf den überschwemmten Boden, das triefnasse Bett, richte den Blick nach oben: Neben dem Dachschrägenfenster laufen auf beiden Seiten Bäche herab und ergießen sich tropfend ins Haus. Machtnix sieht sich die Bescherung ebenfalls an, dreht schnüffelnd eine Ehrenrunde im Zimmer, tappst mit nassen Pfoten in den Flur zurück, wedelt, sieht mich erwartungsvoll an und bellt. Ich seufze und mache mich auf die Suche nach Eimern, was allerdings nicht ganz leicht ist, weil ich mich zuletzt vor gut dreißig Jahren in diesem Haus ausgekannt habe.

Ich hinke wieder hinunter, finde mehrere Eimer, Wischtücher, einen großen Einmachtopf. Ich trage alles nach oben. Die Tropfen hallen bedrohlich in den leeren Gefäßen. So beginnen meine Lieblingstage: Überschwemmungen eindämmen und Termine mit Handwerkern ausmachen. Und mit einer Fußpflegerin.

Ich bewege mich ins Erdgeschoss, Machtnix heftet sich an meine kaputte Ferse und leckt im Vorbeigehen meine Hand ab.

»Herrgott, was willst du denn? Hör doch mal auf, Druck zu machen!« Der Hund läuft zur Tür und wedelt frenetisch. »Nein, wir können heute nicht spazieren gehen.« Beim Wort »spazieren« beginnt Machtnix mit freudigen Luftsprüngen. »Ich bin verletzt! Ich kann nicht gehen!« Ich beschließe, ihn zu ignorieren, und stelle Wasser auf. Jetzt brauche ich zuerst mal meinen Tee. Ich öffne die Tür, Machtnix fixiert mich und geht im Rückwärtsgang voraus. Ich hätte ihn vielleicht nicht so sehr an die täglichen Runden gewöhnen sollen. Aber was soll man tun, wenn man den Auftrag seiner Tochter hat?! Ich stelle die leere Rotweinflasche neben den Karton auf den Holzboden der Terrasse, denn im Karton hätte sie beim besten Willen keinen Platz mehr gefunden.

Als ich mich aufrichte und umdrehe, steht sie plötzlich vor mir auf der Veranda. Die Irre. Die Verrückte aus dem Wald. Sie hat nasse Haare und lächelt. Machtnix ist ganz wahnsinnig vor Freude, sie wiederzusehen, was man von mir nicht behaupten kann.

»Guten Tag«, sagt sie.

»Hallo.«

»Ich möchte mein Angebot erneuern, mit Ihrem Hund zu gehen«, sagt sie. Das Angebot erneuern ... Sie spricht ein seltsames, aber schönes Deutsch.

»Aber ich kenne Sie doch gar nicht«, sage ich, »ich kann Ihnen doch nicht einfach meinen Hund anhängen.«

»Wenn Sie wollen, kann ich den Hund anhängen. Aber ich denke, er wird mir nicht davonlaufen. Ich bin Evelina. Hallo.« Sie streckt mir die Hand hin, die ich artig schüttle.

»Erlach. Quintus Erlach. Ich ... ich muss zu meinem Teewasser.« Weil das aber doch zu unhöflich wäre, frage ich: »Wollen Sie auch eine Tasse?«

»Ein schöner Name, Quintus«, sagt sie. »Gerne eine Tasse Tee.« Das habe ich davon.

Ich gieße den Assam auf. In der Früh muss es Assam sein, nachmittags Darjeeling. Oder ausnahmsweise auch einmal Riesling. Der erdige Duft, der mir in die Nase steigt, erfüllt mich sogleich mit der Gewissheit, dass es mir bald besser gehen wird.

»Und ... wohin gehen Sie spazieren?«, frage ich. Machtnix hält den Kopf schief, als er das Zauberwort hört.

»De